„First Kiss“ – kein Kunstprojekt sondern getarnte Werbung

Über 59 Millionen Views hat der dreieinhalb minütige Clip „First Kiss“ seit dem 10. März allein auf YouTube gesammelt.

Im Video sind zehn Paare beim Küssen zu sehen, die sich angeblich gerade erst kennen gelernt haben. Hierbei handelt es sich um ein vermeintliches Kunstprojekt von Tatia Pilieva. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass es sich bei dem Viral-Clip um eine Auftragsarbeit für das Mode-Label WREN handelt. Die „Fremden“ waren Models bzw. Schauspieler, WREN lieferte die Kleidung.

First-Kiss-Video-I

Der Zauber des ersten Kusses
Quelle: YouTube

Martin von den Blogrebellen formuliert das Ganze noch etwas drastischer: „Wenn Millionen YouTube-Zuschauer glauben, dass sie hier Zeuge eines total süßen Frühlingsgefühle-Kunstevents werden, dann wurden sie verarscht. Es ist Werbung – und das scheint keinem aufgefallen zu sein.“

Ob „getarnte“ Werbung negativ für den Zuschauer ist – oder ob man es als schlimm empfindet, dieser „auf den Leim gegangen zu sein“ ist natürlich Ansichtssache. Viel bedenklicher ist jedoch, dass sich eine ganze Reihe von klassischen Online-Medien mangels gründlicher Recherche unbewusst an der Vermarktung des Clips beteiligt hat. In zahlreichen Beiträgen ist vom Kunstprojekt „First Kiss“ die Rede, das den intimen und emotionalen Moment eines ersten Kusses im Rahmen eines Kurz-Clips eingefangen habe.

First Kiss Video II

Zu unauffälliger Hinweis auf den Urheber WREN?
Quelle: YouTube

Erst nach Bekanntwerden des werblichen Hintergrundes wurde eine ganze Reihe von Beiträgen in Blogs und Online-Medien korrigiert oder ergänzt. Auf n-tv.de beispielweise finden sich zwei Beiträge: Der erste beschreibt das Kuss-Video als Filmprojekt und nicht als Werbung – und das, obwohl zu Beginn des Films „WREN presents“ eingeblendet wird.

Erst mit einem weiteren Beitrag stellte n-tv klar, dass es sich bei dem vermeintlichen Kunstprojekt um Werbung handelt: „Gestern sind wir einer Werbung auf den Leim gegangen […]. Tut uns leid. Denn natürlich dürfen wir nicht einfach alles nachquatschen, was irgendwo im Internet auftaucht.“

Dieses hier selbstkritisch als „Nachquatschen“ beschriebene Phänomen begegnet uns im PR-Alltag immer wieder. Mangelnde Recherche – sei es nun aus Zeitmangel oder aus anderen Gründen – führt gerade in der schnelllebigen Online-Welt immer wieder zu Schnellschüssen, bei denen unzureichend hinterfragte Behauptungen als Fakten ausgegeben oder in einen anderen Kontext gestellt werden. Dass dann – wie im Fall n-tv – freiwillig eine Richtigstellung vorgenommen wird, ist selten. Hinsichtlich des WREN-Clips ist das Ganze noch nicht so dramatisch – viel schlimmer wird es, wenn die von Fehlinformationen Betroffenen sich anschließend rechtfertigen und Sachverhalte klarstellen müssen, um Imageschäden von Marke und Unternehmen abzuwenden.

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