Was haben ein guter Krimi und politische Kommunikation gemeinsam?
Wir befinden uns in der heißen Phase der Bundestagswahl. Jetzt wird noch genauer als sonst geschaut, welche Interessen die einzelnen Parteien vertreten, welcher Politiker was sagt und vor allem, wer dabei glaubhaft und authentisch rüberkommt. Bei Politik geht es nicht nur um Entscheidungen und Macht, sondern auch immer um die Art der Kommunikation. Schließlich gilt es, die Wähler im ersten Schritt durch Worte für sich zu gewinnen. Dieses Interesse ist natürlich kein Geheimnis und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass gerade die politische Kommunikation immer wieder kritisch hinterfragt wird. Und tatsächlich gibt es in dieser Hinsicht einige Methoden, die Wahrheit zu verschleiern, ohne dabei zu lügen.
Maike Gosch, Autorin und Storytelling Consultant bei „story4good“, hat einen Vergleich dazu aufgestellt, was gute Krimiautoren und politische Kommunikatoren verbindet und dazu einen Artikel für das Fachmagazin „politik & kommunikation“ geschrieben.
Es folgt eine persönliche Zusammenfassung der Kernaussagen:
Was macht einen guten Krimi aus? Man entwickelt beim Lesen immer wieder neue Theorien: Wer ist der Mörder? Was war sein Motiv? Nur um ein paar Seiten später festzustellen, dass die erste Theorie schon wieder hinfällig ist. Erst ganz am Ende kommen alle Puzzleteile zusammen und bringen den Leser zur Lösung des Falls. Aber warum sind wir nicht früher darauf gekommen? Waren wir zu blind oder einfach zu blöd? Nein, denn ein guter Krimiautor weiß genau, wie Menschen Informationen aufnehmen und verarbeiten. Er gibt dem Leser alle relevanten Informationen an die Hand, verschleiert diese jedoch so, dass dieser nicht oder erst ganz am Ende in der Lage ist, sie richtig zu deuten.
Kommunikation – insbesondere in der Politik, aber natürlich auch in anderen Bereichen – funktioniert oft sehr ähnlich. Zwar heißt es im Deutschen Kommunikationskodex des Deutschen Rats für Public Relations: „(9) PR- und Kommunikationsfachleute sind der Wahrhaftigkeit verpflichtet, verbreiten wissentlich keine falschen oder irreführenden Informationen oder ungeprüfte Gerüchte.“, demnach ist Lügen nicht erlaubt und moralisch ohnehin nicht vertretbar; doch besteht dennoch das Interesse, bestimmte Dinge so zu verpacken, dass sie auf den ersten Blick nicht als solche erkannt werden.
Methode 1: Bewusste Auslassungen
Sogenannte „Unbestimmtheitsstellen“ sind ein beliebtes Mittel zur Verschleierung. Bei einem Krimi sind das im klassischen Fall die Identität des Mörders und der Ablauf der Tat. Diese bewussten Auslassungen lösen in den meisten Menschen den Wunsch aus, das Rätsel zu lösen. In der öffentlichen Kommunikation ist das genauso: Wird ein Teil ausgelassen, versuchen andere – insbesondere Journalisten – den Fall zu lösen, was für Kommunikatoren eine große Gefahr darstellt, denn so kommen schnell Spekulationen auf.
Methode 2: Informationsflut
Ein Krimiautor versteht sich darauf, lösungsrelevante Informationen zwar zu nennen, diese aber so zu verbergen, dass ihre Relevanz nicht sichtbar ist. Beispielsweise eine lange Liste von Gegenständen, die am Tatort gefunden wurden. In der Masse geht die Relevanz des einzelnen Gegenstandes unter. In der politischen Kommunikation passiert genau das Gleiche – oft unfreiwillig, manchmal aber auch vorsätzlich. Bestimmte Informationen werden dabei mit Fachbegriffen gespickt, in komplexe Zusammenhänge gesetzt und um weitere Infos ergänzt, bis die Quintessenz des Ganzen nicht mehr auf den ersten Blick ersichtlich ist.
Methode 3: Verstreuung von Fakten
Wie verhindert ein Krimiautor, dass der Leser den Zusammenhang zwischen relevanten Fakten erkennt? Ganz einfach, er lässt so viel Abstand dazwischen, dass der Leser den ersten Teil schon wieder vergessen hat. Ein Widerspruch in der Aussage fällt auch in der Kommunikation weniger auf, je mehr Zeit zwischen der Verbreitung der Informationen vergeht.
Methode 4: Der Knalleffekt
Ein einfacher, aber dennoch effizienter Trick: Der Mensch kann sich nur auf wenige Dinge gleichzeitig konzentrieren. Im Krimi ist das beispielsweise ein plötzliches Liebesdrama, das die Aufmerksamkeit des Lesers völlig vereinnahmt, sodass alles andere nebensächlich wird. In der politischen Kommunikation können das Großereignisse wie eine Fußballweltmeisterschaft sein, die die Aufmerksamkeit von Öffentlichkeit und Journalisten ablenken, sodass andere Informationen daneben untergehen.
Methode 5: Falsche Fährte
Ähnlich wie der Knalleffekt, aber deutlich subtiler ist das Legen einer falschen Fährte. Hier wird der Krimi-Leser nicht durch ein anderes Ereignis sondern durch eine neue Frage, ein weiteres Rätsel abgelenkt. Ein politisches Beispiel hierfür sind die Leaks zu den Abhörtechniken der NSA. Um die Öffentlichkeit von den Hauptfragen abzulenken (dem Bruch von Grundrechten, Strafrecht und Völkerrecht), wurde die Aufmerksamkeit bewusst auf andere Fragen gelenkt, die daraus resultieren: Wie funktioniert das Ganze technisch? Wer hat die Information verbreitet? Und wie kann ich mich davor schützen? Letztere Frage führt sogar dazu, dass die Menschen das Ganze nicht mehr als politisches sondern als technisches Problem wahrnehmen.
Methode 6: Diskreditierung der Quelle
Was nützt einem schon die Wahrheit, wenn sie keiner hören will oder nicht glaubt? Genau, rein gar nichts. Wenn also jemand wichtige Fakten ans Tageslicht bringt, dann gilt es, sich auf die Person zu fokussieren, von der diese Aussagen kommen und Eigenschaften hervorzuheben, die diese wenig glaubhaft aussehen lassen. Im Krimi ist das eine Zeugin, die unzuverlässig, zerstreut und vergesslich ist. Im politischen Kontext sind es ebenfalls Fehlungen, die eine Person als Quelle unseriös wirken lassen, wodurch die Informationen schnell als unwahr abgestempelt werden.
Maike Gosch möchte mit ihrem Vergleich keine Anleitung zum Lügen geben, sondern aufzeigen, wie man die Aufmerksamkeit von Menschen gezielt lenken kann, um bestimmte Fakten in den Hintergrund zu rücken. Sie empfindet es als naiv, zu glauben, dass die Öffentlichkeit immer die ganze Wahrheit erfährt, aber ebenso überzogen und paranoid davon auszugehen, dass grundsätzlich gelogen wird.