Scrollen – das neue Klicken
Die Mär hält sich hartnäckig: Die Internetleser scrollen nicht gerne, lange Seiten funktionieren im Netz nicht. Das war lange die Devise. Möglichst viele Klicks zu generieren hatte Priorität. Und so reihte sich Fotostrecke an Fotostrecke, wurde alles Mögliche wild verlinkt und lange Artikel häppchenweise aufgeteilt. Doch die „Währung des Internets“ wandelt sich: Scrollen ist das neue Klicken.
Snowfall-Stories liegen im Trend. Der Leser verliert sich dabei gemeinsam mit dem Artikel wie eine Schneeflocke im schier Unendlichen. Allerdings, das versteht sich von selbst, bestimmt die Qualität der Geschichte die Länge des Textes. Länge allein bringt keine zufriedenen User. Die Story muss den Leser bannen und fesseln.
Multimedialität sorgt für Leservergnügen
In der Länge liegt aber auch das Potenzial. Klar, lange Geschichten, die zum kilometer-langen Scrollen einladen, werden nicht grundsätzlich zum Erfolg. „Multimedial“ ist hier das Stichwort. Großformatige Fotos, Videos, Animationen, Grafiken und Audio-Dateien wechseln sich mit Textabsätzen ab, ergänzen sich gegenseitig. Textunterbrechungen und Zwischenzeilen sind ein Muss.
Bei einer langen Seite ohne klare Gliederung verlieren Leser leicht den Überblick – das sichere „Aus“ für den Text. Der User möchte beim Lesen geleitet werden, kein Versteck-Spiel spielen. Textanker und Sprunglinks helfen dabei und sind sowohl für den Leser als auch für den Texter ein simples Instrument mit großer Wirkung. Innerhalb der Seite kann über die Links gesprungen werden. Kennt man so z.B. von Wikipedia – dort werden Texte mit Hilfe von Sprungankern untergliedert und ein Inhaltsverzeichnis zeigt diese Abschnitte dann als Liste.
Als Abenteurer den Text entdecken
Früher ein No-Go, heute durchaus ratsam: ein verheißungsvolles Bild, das die volle Bildschirmgröße nutzt. Dass dann unten die passende Story dazu lockt, ist selbstverständlich. Dieser Aufbau befeuert den Forscherinstinkt der Leser, der wie ein Abenteurer den Text entdeckt, erobert.
Den Wandel bringt – wer hätte es gedacht – die Technik selbst: Das Scrollrädchen an der Maus war dabei erst der Anfang, es hat sich längst durchgesetzt. Den richtigen Durchbruch fürs Scrollen bringen hingegen aber vor allem die Touchscreens von Smartphones und Tablets. Denn Scrollen ist leichter als Klicken: Mit den Fingern fällt es mitunter schwer, einen kleinen Pfeil oder das Wörtchen „mehr“ auf dem Display zu entdecken und dann auch noch zu treffen.
Wikipedia, Twitter und Co. machen es vor
Außerdem sind User lange Seiten zunehmend gewohnt: Wikipedia, Twitter, Facebook & Co. machen es vor – und machen es einfach. Per „lazy load“ wird der Inhalt dann nachgeladen, wenn der User tatsächlich so weit liest.
Aber was ist dann mit den Klicks als Indikator für die Reichweite? Abgelöst! Denn das Scrollen bietet noch genauere Daten: in Scrollmetern oder gar Kilometern. Wie weit liest der User? An welcher Stelle genau steigt er aus? In welcher Geschwindigkeit liest er? Und welche Elemente schaut er besonders lange an? All das ist mit den entsprechenden Tools erfassbar.
Allerdings funktionieren lange Texte in erster Linie eben auf Blogs. Endlos lange E-Mails liest keiner gerne. Und auch Pressemitteilungen sollten bei ihrer ursprünglich kurzen und prägnanten Form ohne Abschweifungen bleiben. Dass daraus hinterher eine Snowfall-Geschichte wird, ist nicht ausgeschlossen. PR-ler sollten also künftig bei Journalisteninfos Tipps geben, wie aus der Presseinfo eine bodenlose Geschichte werden kann: Mögliche verwandte Themen, Bilder, Audiodateien, Videos. Der Kreativität kann dabei wie eine Schneeflocke ins Unendliche fallen.
Best Practice
Wir haben bei unserer Kampagne Alberto-Momente für unseren Kunden J.J.Darboven unter anderem auf eine Seite mit großem Scrollanteil gesetzt – und auch unsere impact-Webseite hat eine Startseite, bei der man per Scrollrad zu horizontal gegliederten Inhalten springen kann.
Bildquelle: 3D Hand Cursor by Chris Potter / stockmonkeys.com via flickr (CC BY 2.0)
Toll geschriebener, origineller Artikel mit hoher Informationsdichte. Besonders interessant: hierzulande neue Begriffe wie „snowfall stories“, „lazy load“.