Salamitaktik als Brandbeschleuniger in der ADAC-Krise

Mit den Worten „Ich habe Scheiße gebaut“ musste ADAC-Kommunikationschef Michael Ramstetter in der Affäre rund um die Manipulationen beim ADAC-Publikumspreis „Gelber Engel“ seinen Hut nehmen. Seither reißt die Serie der Negativschlagzeilen rund um Deutschland’s größten Verein und weltweit zweitgrößten Automobilclub nicht ab. Bereits damals war klar: Die Tricksereien rund um den Gelben Engel fanden sehr wahrscheinlich nicht nur in den Jahren statt, in denen Ramstetter sich für den Preis verantwortlich zeichnete – vieles sprach bereits in den Anfängen des Skandals dafür, dass es zudem nicht nur um die Manipulation der abgegebenen Stimmen ging, sondern um Schiebungen in Bezug auf die Rankings.

Heute, knapp drei Wochen später, ist die Krise immer noch nicht ausgestanden – im Gegenteil: Das Ausmaß der Manipulationen wird immer gravierender. Wie die Süddeutsche Zeitung vermeldet, sind offenbar nicht nur die Stimmenzahlen um das Zehnfache multipliziert worden. Vielmehr ist tatsächlich das Ranking der bestplatzierten Autos internen Unterlagen zufolge verändert worden – Nutznießer war laut Süddeutsche der BMW 5er, der zunächst nicht auf den ersten fünf Plätzen gelandet war – um dann bei der offiziellen Bekanntgabe des ADAC doch auf Platz fünf aufzutauchen. Laut „SZ“ flog dafür der VW Tiguan aus den Top 5.

Technische Panne in der Krisenkommunikation - der ADAC macht's vor. Bild via flickr von - Dominik Deobald - CC BY-NC-SA 2.0

Technische Panne in der Krisenkommunikation – der ADAC macht’s vor. (Bild via flickr von – Dominik Deobald – CC BY-NC-SA 2.0)

Die Kardinalfrage, die sich in diesem Kontext stellt, ist: Weiß man beim ADAC derzeit wirklich nicht, wie weit die Tricksereien gingen? Oder regiert in der Krisenkommunikation des Automobilclubs mittlerweile das Prinzip Hoffnung? Betrachtet man die Chronologie der Ereignisse ist es schon bemerkenswert, wie unbedarft der ADAC bislang mit der Krise umgegangen ist. Anstatt zum Beispiel die Veranstaltung zur Verleihung des „Gelben Engels“ abzusagen, dementierte ADAC-Geschäftsführer noch die Berichterstattung der Süddeutschen – diese sei „kompletter Unsinn“ und basiere auf „Unterstellungen und Unwahrheiten“. Nur wenige Tage später musste der ADAC zurückrudern und in der Folge immer wieder neue Vorwürfe hinnehmen – der Rücktritt von Ramstetter wirkt da in der Retrospektive wie ein Bauernopfer. Dass jetzt einige Autokonzerne gar überlegen, ihre „Gelben Engel“ zurückzugeben ist Ausdruck dessen, wie groß der Imageschaden bereits ist – VW und Co. befürchten jetzt offenbar, dass das Negativ-Image des Preises auf die eigenen Marken abstrahlt. Und geben die Preise lieber zurück.

Dass man beim ADAC jedoch immer noch lieber auf die „Taktik Aussitzen“ setzt, spiegelt auch ein wenig die Selbstwahrnehmung des Clubs wieder – frei nach dem Motto „Die Medien können uns gar nix und werden sich schon wieder beruhigen“. Selbstkritik? Fehlanzeige! Man versteht beim ADAC offenbar nicht, dass man sich mit der Salamitaktik – ergo: immer nur das zuzugeben, was bereits nachgewiesen wurde – immer weiter an öffentlichem Vertrauen verliert, je länger man sich von den Medien durch’s Dorf treiben lässt. Unabhängig von den 19.000 Mitgliedern bricht für Verbraucher und Autofahrer eine Institution weg, der er bislang immer eher Vertrauen geschenkt hat – bereits jetzt gibt es in diversen Automobil-Foren kontroverse Diskussionen darüber, ob man den Testberichten und Pannenstatistiken des ADAC noch Vertrauen schenken darf – oder ob nicht auch dort getrickst wurde. Das Traurige: Am Ende betrifft der ADAC-Skandal auch die rund 1.700 „Gelben Engel“, die als Pannenhelfer auf deutschen Straßen unterwegs sind und dort einen tadellosen Job verrichten.

Während und nach einer Vertrauenskrise, wie sie jetzt der ADAC durchmacht, helfen nur rigide Maßnahmen – und ein klares Umdenken in Haltung und Unternehmenskultur. Mit einem bloßen Lippenbekenntnis, jetzt (endlich!) für größtmögliche Aufklärung zu sorgen, ist es jedoch nicht getan. Im Fall des ADAC ist jetzt Transparenz und die Fähigkeit zur Selbstkritik gefragt: Wer wusste von den Manipulationen? Wie tiefgreifend waren die Manipulationen? Welche Bereiche sind betroffen – und welche nicht? Ist gar „Kohle“ für „optimierte Rankings“ geflossen? Der ADAC muss raus aus der Wagenburg und der Abwehrhaltung, hin zu einer strategisch ausgerichteten Krisenkommunikation.


 

Bild „Panne auf der Rückfahrt von der GamesCon“ von Dominik Deobald via flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert