Pressefreiheit in Europa – geht es bergab mit unserem Grundgesetz?
Pressefreiheit in Europa – geht es bergab mit unserem Grundgesetz?
Stell Dir vor, niemand wüsste etwas von einem ansteckenden Grippe-Virus. Oder niemand wüsste etwas davon, dass Politiker ein Gesetz verabschiedet haben, das unsere Menschenrechte einschränkt. Kaum vorstellbar, oder? Für die meisten Bürger ist es eine Selbstverständlichkeit, dass in Deutschland Pressefreiheit herrscht und Journalisten über alles berichten dürfen. So heißt es in Artikel 5, Absatz 1 unseres Grundgesetzes „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“
Status Quo – Rangliste der Pressefreiheit 2019
Die Pressefreiheit, ist ein hohes Gut in ganz Europa – doch sie ist in Gefahr. Vergangenen Freitag wurde der ‚Tag der Pressefreiheit‘ gefeiert und zeitgleich berichtete die Organisation ‚Reporter ohne Grenzen‘ (ROG), dass die Lage der Pressefreiheit in Europa schlechter geworden sei. „Die systematische Hetze gegen Journalistinnen und Journalisten hat dazu geführt, dass Medienschaffende zunehmend in einem Klima der Angst arbeiten“, so die Organisation in ihrem Bericht zur Rangliste der Pressefreiheit 2019 (Quelle: https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/2019/).
Erschreckend dabei ist, dass dies vor allem Länder betreffe, in denen sich Journalisten bisher im weltweiten Vergleich eher sicher fühlen konnten. „Zu den Regionen, in denen sich die Lage am stärksten verschlechtert hat, gehört Europa. Auch die USA sind auf der Rangliste nach unten gerutscht“, schreibt Reporter ohne Grenzen (Quelle: https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/2019/).
Das Ranking zeigt, dass Deutschland um zwei Plätze nach oben auf Rang 13 gerückt ist. Laut ROG liege das aber vor allem daran, „dass die Pressefreiheit in anderen Ländern stärker abgenommen habe.“
Warum ist Deutschland nicht in den Top10?
Die Zahl der tätlichen Angriffe gegen Journalistinnen und Journalisten in Deutschland ist von 16 Fällen (2017) auf 22 in 2018 gestiegen. Als einen Grund hierfür benennt der Bericht populistische Gruppierungen, die für ein immer pressefeindlicheres Klima sorgten. Nur zu ungern erinnern wir uns an die gewaltsamen Proteste Ende August 2018 in Chemnitz. „Innerhalb eines Monats ereigneten sich in der sächsischen Stadt zehn Angriffe gegen Journalistinnen und Journalisten – neun davon an nur einem Tag.“ (Quelle: https://www.mdr.de/nachrichten/politik/inland/angriffe-journalisten-deutschland-gestiegen-100.html)
Neben den genannten Angriffen führen auch die Vorratsdatenspeicherung – also die Erhebung und dauerhafte Speicherung personenbezogener Daten ohne einen explizit festgeschriebenen Speicherungszweck oder -grund – zu der schlechten Platzierung. Wer möchte denn schließlich Journalisten mit hochbrisanten Informationen versorgen und so auf Missstände aufmerksam machen, wenn der Bundesnachrichtendienst im Nebenzimmer sitzt und alles mithört?
Österreich wurde wegen medienfeindlicher Rhetorik und Drohungen um fünf Plätze herabgestuft. Und das Alpenvorland präsentiert uns prompt einen aktuellen Fall: So fordern mehrere Politiker der rechtspopulistischen FPÖ den Rauswurf des ORF-Moderators Armin Wolf.
Wolf, der österreichische Klaus Kleber, hatte den FPÖ-Spitzenkandidaten bei der Europawahl, Harald Vilimsky, zu einem Plakat der FPÖ-Parteijugend befragt. Der Cartoon zeigt ein Paar in Trachtenkleidung, umringt von düsteren Figuren, die offenbar Migranten darstellen sollen. Wolf verglich die Abbildung mit einer antisemitischen Zeichnung aus der NS-Zeitschrift Stürmer. Vilimsky drohte noch während der Liveübertragung, dass dies „Folgen“ haben werde – und legte Wolf später einen Rücktritt nahe.
Schaut man einmal auf das Land über dem großen Teich, so tobt hier schon lange ein Kampf zwischen Präsident Donald Trump und verschiedenen Zeitungen und Sendern. Trump bezeichnete Medien dabei sogar als “true Enemy of the People” also „Feinde des Volkes“ und warf dabei einigen Medienschaffenden vor, „Fake News“ zu verbreiten.
In Bulgarien herrscht ‚schwierige Lage‘ bei der Pressefreiheit
Weitere europäische Länder wie Frankreich, Großbritannien oder Spanien sind nur noch in der Kategorie „zufriedenstellende Lage“ zu finden, in Polen und Ungarn sowie etlichen Balkanländern verortet Reporter ohne Grenzen „erkennbare Probleme“. Das Schlusslicht der EU ist Bulgarien, das in der Kategorie „schwierige Lage“ eingeordnet ist und nur den 111. Platz weltweit belegt. Die letzten fünf Plätze des 180 Länder umfassenden Rankings nehmen die Länder Vietnam, China, Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan ein.
Geht es nun bergab?
Mit Blick auf das Ranking und die kommende Europawahl Ende Mai stellt sich die Frage, ob der Artikel 5 unseres Grundgesetzes aufgrund der schlechten europäischen Platzierungen und den genannten Vorfällen in Gefahr ist?
Ganz so düster sieht es in Europa und speziell in Deutschland ‚noch‘ nicht aus. Jedoch gilt für uns alle – neben der Politik und der Wirtschaft: wir müssen uns hinter die freie Presse stellen, diese schützen und verteidigen. Denn eine freie Presse ist die Basis für eine starke Demokratie. Eine erste Handlung in die richtige Richtung kann die eigene Stimmabgabe bei der Europawahl sein.