On Demand vs. Lineares Fernsehen

„TV ist besser denn je und behauptet seine Stellung“…aha, dachte ich, seit wann das denn?

Zu diesem Ergebnis kommt die Studie RE[DEFINDED] des TV-Konzerns Viacom International Media Works Networks Germany, Switzerland & Austria, die Anfang Juni veröffentlicht wurde . Demnach sind 63 Prozent der 6-bis 34-Jährigen von den insgesamt 10.500 Befragten aus 14 Ländern dieser Auffassung.

Quelle: https://vimeo.com/vimninsights

Quelle: https://vimeo.com/vimninsights

Dem entgegen steht die Aussage des Netflix-Erfinders Reed Hastings, der im Mai anlässlich der Internet-Konferenz in Berlin referierte. „In 20 Jahren ist das lineare Fernsehen tot“. Seit rund 8 Monaten gibt es den Video-Streaming-Dienst Netflix in Deutschland. In den USA macht Netflix mehr als ein Drittel des gesamten Internet-TV Verkehrs aus, weltweit sind es über 60 Millionen Menschen, die sich darüber mit Filmen und TV-Serien versorgen lassen. Hastings vergleicht Netflix mit einem Buch. Man kann es lesen, wann immer man will und so lange nutzen, wie man gerade möchte. Oder es einfach weglegen.

Individueller Content rules

Was will ich sehen, und vor allem: wo und wann? Das ist meine Entscheidung – so lautet zumindest die Einstellung vieler TV-Nutzer. Mit einem modernen Fernsehgerät, dem so genannten Smart-TV kann man im Netz surfen, zeitversetzt Filme und Nachrichten gucken oder E-Mails schreiben. In welchem Verhältnis also steht die Online-Bewegtbildnutzung zum klassischen Fernsehen? Wird es das lineare Fernsehen in Zukunft noch geben oder droht das Aus durch Video-on-Demand-Anbieter? Der Frage gehen Branchenexperten seit Jahren nach. Es sind die 14- bis 29-Jährigen, die immer häufiger Web-TV-Dienste wie YouTube in Anspruch nehmen. Das Nutzungsverhalten der jungen Generation ist ein Indikator für die Zukunft. Zudem ist das Geschäft mit Pay-TV, allen voran Sky mit dem Motor Bundesliga, auf dem Vormarsch. Content ist hier individueller und persönlicher und es gibt eine enorme Auswahl an verschiedenen Themen, abrufbar wann immer einem danach ist.

Der User hat bei On Demand-Anbietern die volle Auswahl, wie hier bei Netflix.  (Quelle: Screenshot)

Der User hat bei On Demand-Anbietern die volle Auswahl, wie hier bei Netflix.
(Quelle: Screenshot)

Lineares TV begeistert Massen

Wie passt also diese Entwicklung zu den Studienergebnissen? Was bietet das Fernsehen, was Netflix, Amazon prime und Co niemals erreichen werden? Sender können Massen gleichzeitig begeistern. Eine TV-Übertragung eines Fußballspiels zieht Millionen zur gleichen Zeit vor den Fernseher. Am nächsten Tag wird dann darüber diskutiert – mit Arbeitskollegen oder Mitschülern. Liveübertragungen von Showformaten oder Sportevents leben davon, dass Millionen zeitgleich das Gleiche erleben. Das klassische TV ist wie ein Lagerfeuer, vor dem Geschichten miteinander erlebt werden. Video-on-Demand ist die Individualreise, die man nach eigenem Geschmack plant und für sich erlebt.

Öffentlich-Rechtlich: smells like Youtube-Spirit

Was also zieht so viele TV-Konsumenten so regelmäßig vor den Fernseher? Es muss das für mich wirklich einzige Argument sein, was überhaupt noch für klassisches Fernsehen spricht: anschalten, berieseln lassen und nicht entscheiden müssen. Wer hingegen aktiv nach Inhalten sucht, wird mehr und mehr Bewegtbild online konsumieren. Wie wird sich also das Verhältnis entwickeln? Entpuppt sich On Demand als Modeerscheinung, die sich nicht durchsetzen wird? Wird das Fernsehen tatsächlich aussterben? Es wird keine Entweder- Oder- Entscheidung sein, sondern vielmehr ein gegenseitiges Annähern, beispielsweise in zielgruppenspezifischen online- TV Formaten. Ein deutliches Indiz für diese Adaption ist der für Mitte 2016 als reines Online-Modell geplante Jugendkanal von ARD und ZDF. Für dessen Konzeption Youtube-Stars wie LeFloid ins Boot geholt wurden, eben die, die sich On Demand behauptet haben und von Natur aus näher an der Zielgruppe sind. Das Angebot wird mit Information, Fiction und Comedy auf der Website und Plattformen wie YouTube oder Facebook zu finden sein.

On Demand als Analogie zum linearen TV

Halten wir fest: Das Fernsehen befindet sich im Wandel. Ebenfalls das Verständnis der Konsumenten. Das geschieht nicht, weil Fernsehen über neue Wege auf weiteren Plattformen angeboten wird, sondern weil Video-on-Demand ausgebaut wird und Fernsehsendungen sowie weitere Inhalte vermischt werden. Es entsteht eine vielfältige Plattform, die beide Welten – Internet und Fernsehen – verbindet. Eine Verdrängung des Fernsehens durch nicht lineare Formate scheint ohnehin ausgeschlossen, wenn man denn dem Rieplschen Gesetz der Medien folgt. Der Journalist und Chefredakteur der Nürnberger Zeitung Wolfgang Riepl formulierte bereits 1913 in seiner ersten Dissertation folgende Hypothese: Kein gesellschaftlich etabliertes Instrument des Informations- und Gedankenaustauschs wird von anderen Instrumenten, die im Laufe der Zeit hinzutreten, vollkommen ersetzt oder verdrängt. On Demand- Angebote haben als Analogie zum linearen Fernsehen ihren Platz gefunden, wohin die Entwicklung darüber hinaus geht, bleibt spannend.

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