Mein Computer spricht jetzt mit mir – will ich das?
Erzähl‘ das deinem Computer!
Der Mensch ist ein Kommunikationstier – und das ändert sich auch nicht, wenn er einem Computer statt einem ‚echten‘ Gesprächspartner gegenübersitzt.
Dieser Meinung sind auch die beiden Autoren Daniel Eckler und Shaun Roncken. Laut ihrem interaktiven Essay Conversational User Interfaces liegt die Zukunft der Software jenseits des schönen bunten Graphical User Interface (GUI), das die Welt der Computer auch für übersichtlich technikaffine Nutzer wie mich zugänglich gemacht hat. Das GUI hat die rein textbasierte Kommunikation mit Computern im Alltag abgelöst und Computernutzung breitentauglich gemacht. Allen Vorteilen zum Trotz: die von den beiden Autoren aufgezählten Nachteile des GUI kennen wir alle. Uneinheitlich gestaltete Textboxen, wirre Drop-Downs, nicht funktionierende Buttons und geschredderte Mobile-Seiten begegnen uns nur zu oft.
Deswegen schlagen die Herren Eckler und Roncken eine Alternative zum GUI vor: das Conversational User Interface oder CUI. Dieser nächste Schritt der Softwareentwicklung hat schon jetzt vor allem in Asien Anklang gefunden. Ein Beispiel ist die erfolgreiche App WeChat die nicht nur auf Kommunikation, sondern sogar auf Konversation basiert. Egal ob Suchanfrage, Terminvereinbarung oder Gespräch: alles wird entspannt in einer schriftlichen Unterhaltung mit der App abgewickelt. Aktuell werden die meisten CUI-Gespräche von ‚echten‘ Service-Mitarbeiter geführt, die nach und nach durch künstliche Intelligenzen ersetzt werden sollen.
Künstliche Intelligenz mit Hindernissen
Hierbei stößt man auf folgendes Problem: Bis jetzt bauen AIs auf gesammelten Daten, also Erfahrung, auf und können noch nicht eigenständig auf neue Situationen reagieren. Stattdessen sind sie vor allem für Tätigkeiten geeignet, die sehr oft durchgeführt werden und auf gelernten Mustern aufbauen.
Trotzdem gibt es schon jetzt beeindruckende Erkenntnisse. Zum Beispiel die, dass eine AI gar nicht überzeugend menschlich sein muss, um ein Gespräch zu simulieren. Im Selbstversuch mit dem online nutzbaren Cleverbot hat sich das bestätigt: Auch wenn die Unterhaltung gelegentlich etwas befremdliche Wendungen nimmt, fühlt es sich doch nach einem Gespräch an.
IUI – Impolite User Interface
Da wir noch lange nicht weit genug sind, um uns tatsächlich mit unseren Computern funktional unterhalten zu können, müssen wir uns vorerst mit schnöder, mehr oder weniger zwischenmenschlich begründeter Kommunikation über Programme oder Webseiten begnügen.
Denn schon jetzt ist man als User nicht nur Leser und Rezipient, sondern Teil einer Kommunikationssituation – vor allem online. Wenn man etwas anklickt oder sogar nur liest, reagieren Webseiten darauf. Manche stellen freundliche Fragen, wie zum Beispiel Facebook („Was machst du gerade?“) und Twitter („Was gibt’s Neues?“), viele auf Nachrichten ausgerichtete Seiten machen Service-Angebote („Es gibt etwas Neues!“), andere machen Vorschläge für weiterführende Lektüre („Wenn Ihnen X gefallen hat, dann interessiert Sie bestimmt auch Y“), wieder andere lechzen nach Daten („Telefonnummer hinzufügen?“ – ich schaue in eure Richtung, Facebook und Google!) und dann gibt es noch die, die Werbung machen.
An sich ist der Deal ‚Es wird Werbung angezeigt, dafür ist der Content kostenlos‘ kein schlechter. Aber. Aaaaber …
Wenn die Werbung den kostenlosen Content madig macht, dann verliert der Deal gewaltig an Reiz. Zum Beispiel, wenn eine Anzeige für lächerlich günstiges Internet den eigentlichen Inhalt völlig verdeckt und sich auch während des Lesens immer wieder auf dem Bildschirm breitmacht oder wenn die YouTube-Werbung für Kaugummis zum 100sten Mal abgespielt wird, obwohl man wiederholt geblockt und als repetitiv angegeben hat. Wie die Kassiererin, die in jeder Mittagspause wieder nach der Payback Karte fragt, hebt das nicht gerade die Laune.
Aber Werbung hat kein exklusives Nutzungsrecht für nervige Ablenkungen in der Online-Welt. Die Wirtschaftswoche überrascht mit einem sonderbaren Move: artikelfremde Infokästchen mitten im Fließtext. Wer beispielsweise einen Artikel über Unternehmensstruktur und flache Hierarchien lesen möchte, bekommt kleine, ausklappbare Fenster mit Hitlisten wie „12 Karriere-Mythen“ oder „Die großen Karriere-Irrtümer“ angezeigt. Wenn ich einen Artikel lesen möchte … dann möchte ich ihn lesen. Und keine einzeln ausklappbaren Fakten-Häppchen – so bahnbrechend sie auch sein mögen.
Man stelle sich so eine Situation im echten Leben vor: Ein Kollege erzählt von seinem Urlaub in der Karibik. Dann läuft das Gespräch doch auch nicht so ab: „Die Sandstrände dort gehören zu den schönsten der Welt, das tat so gut nach diesem seltsamen Sommer! Ich fühle mich richtig erholt. Willst du über die Präsidentschaftswahl in den USA sprechen? Nein? Und das Hotel erst, ich sag‘ dir …“
So funktioniert Kommunikation nicht. Auch dann nicht, wenn sie mit einem Computer stattfindet. Was schließen wir daraus? Computer und die digitale Welt kommunizieren schon jetzt mit uns, aber wir müssen noch ein wenig an ihren Manieren arbeiten. Oder vielleicht doch an unseren?