Kommunikationskiller Smartphone!?
8 Uhr früh, die Bahn ist voll, kein Blickkontakt. Die Augenpaare sind starr ans Smartphone geheftet. Mail beantworten, Instagram checken, Tweet absetzen. Manch Beobachter mag sich denken: „Was ist nur aus dem guten alten Gespräch geworden?“ Der Vorwurf an die Technologie ist: Sie zerstört die zwischenmenschliche, abseits der virtuellen Welt stattfindende, Kommunikation.
Ist das so? Haben sich vor zwanzig, vierzig, sechzig Jahren fremde Menschen im öffentlichen Raum einfach miteinander unterhalten? Waren wir kontaktfreudiger? Der fotografische Vergleich einer besetzten Ubahn von heute und einer internetfreien Zeit macht stutzig: Niemand unterhält sich. Die Augenpaare sind starr an die Zeitung geheftet.
Kann es also sein, dass sich an unserem direkten, zwischenmenschlichen Kommunikationsverhalten gar nicht so viel verändert hat? Haben wir schon immer gerne mal vermieden, ein Gespräch mit unserem fremden Sitznachbarn anzufangen und uns lieber anderweitig beschäftigt? Dann liegt der Ursprung der Gesprächsflaute nicht im Smartphone begründet, sondern ist nur Ausdruck der allgemeinen Kommunikationsträgheit, die Menschen damals wie heute beispielsweise früh morgens in Bahn & Co ereilt, wenn sie gerade gerne an vielen anderen Plätzen wären – nur nicht auf dem Weg zur Arbeit.
Konträr zu den Vorwürfen auf Kosten der Technologieaffinen bieten Smartphones sogar Aufhänger für non-virtuelle Kommunikation, so das Ergebnis einer Studie der Universität Mannheim. Genauso wie zwei Personen in einem internetfreien Zeitalter über den Sportteil der Tageszeitung diskutieren konnten, können jetzt Inhalte aus dem Netz als Gesprächszünder genutzt werden.
Streng genommen kommunizieren wir heute womöglich sogar mehr als noch vor einigen Jahrzehnten: Wir texten per Whatsapp an unsere Freunde, laden das Foto unseres morgendlichen Coffee-to-go-Bechers hoch und kommentieren das Bild der Partysause vom Wochenende. Und auch im direkten Gespräch wird das Smartphone eher selten als Störfaktor wahrgenommen, so die Studie der Mannheimer Kommunikationsforscher: Wir integrieren die mobilen Geräte in unsere Alltagskommunikation, indem wir uns immer noch mit dem Gegenüber unterhalten, aber ab und zu eben einen Blick auf das Handy erhaschen. Keine Spur also vom angeblichen „Phubbing“ (phone + snubbing; beschreibt eine Situation, in der man jemandem nicht mit dem nötigen Respekt gegenübertritt, weil man sich mehr mit seinem Smartphone als der Person beschäftigt).
Was die Studie nicht berücksichtigt hat: Kopfhörer!! Wenn ich morgens Bahn fahre und mir zwei Kabel aus den Ohren hängen, ist das ein echter Kommunikationskiller. Zumindest oberflächlich gesehen. Eigentlich kommuniziere ich ganz deutlich mit meinen Mitmenschen: „Habt Gnade, ich bin zu müde, um mich mit euch zu unterhalten…. Lasst mich in Frieden!“
Hiermit die Frage raus an die Welt: Führen mobile Geräte etwa doch dazu, dass wir uns weniger unterhalten oder ist das nur ein Ammenmärchen? Und selbst wenn: Ist es nicht auch voll in Ordnung, im Alltagsstress mal für sich allein sein zu wollen und das bisschen Privatspähre zu nutzen, das uns das Smartphone in der Öffentlichkeit bietet?
Eine Welt ohne Smartphone hat sich auch der US-Fotograf Eric Pickersgill ausgemalt: In seiner Fotoserie hat er alle mobilen Geräte entfernt und die Menschen in den Szenen damit irgendwie nackt aussehen lassen.