Keine Medienkrise in der „heilen Welt“
Die schönen Seiten des Lebens genießen, dem Alltag entfliehen, sich dem Gärtnern, Basteln, Kochen und Backen widmen… diese Sehnsucht scheint bei vielen Menschen nach wie vor präsent zu sein. Kaum verwunderlich, dass einige Verlage durchaus erfolgreich auf Printmedien mit Themen wie Do-It-Yourself, Entschleunigung und Entspannung setzen. „Heile-Welt-Magazine“ scheinen von der Medienkrise ausgenommen. Die Auflagenzahlen sprechen für sich.

Der Erfolg des Magazins Landlust führte zu mehreren Me-too-Produkten von denen jedoch bisher keines einen vergleichbaren Erfolg erzielen konnte. (Quelle: Landlust)
Erfolgsgeschichte Landlust
Das im Herbst 2005 gestartete Magazin Landlust hat z.B. mittlerweile eine verkaufte Auflage von 1.066.880 Exemplaren. Damit platziert sich das Land-Heft auf Platz 11 der meist verkauften Zeitschriften in Deutschland, noch vor dem Spiegel, Stern oder Bunte (Quelle).
Der Fokus von Landlust liegt auf Themen wie Entschleunigung, „Simplify your life“, „Back to nature“ und „das Besondere im Einfachen sehen“. Landtypische Dinge wie Pferdehaltung, Handwerkskunst oder ländliche Backrezepte werden beschrieben, schlechte Nachrichten, negative Stimmungen und Problemthemen hingegen ausgeblendet.
Nicht ganz so ländlich: Das neue Magazin FLOW
„Gib deinem Leben mehr Flow“ so lautet der Slogan des Newcomer-Hefts FLOW. Ähnlich wie bei Landlust stehen auch hier Themen wie die Flucht aus dem Alltag, Entschleunigung, „Simplify your life“ etc. pp. im Vordergrund – allerdings aus einem anderen Blickwinkel: „Flow ist ein Magazin für die persönlichen, schönen ruhigen Momente. Es bietet seinen [gebildeten, kreativen und neugierigen] Leserinnen Geschichten zu psychologischen, philosophischen und Zeitgeist-Themen, die anregen, aber nicht belehren. Es gibt positive Denk- und Kreativanstöße sowie praktische Tipps, die das Leben erleichtern.“ – so heißt es im Redaktions-Konzept.
Das seit November 2013 erhältliche Magazin hat wie Landlust seine verkaufte Auflage innerhalb kürzester Zeit steigern können. Seit der ersten Ausgabe hat sie sich verdreifacht. Bei dem aktuell dritten Heft liegt die Auflage bereits bei 180.000 Exemplaren.
Kritik an der Heilen-Welt
Nicht jedem gefallen die „Heile-Welt“-Konzepte der Magazine. Spiegel Online äußerte sich zum neuen Heft FLOW wie folgt:
„Es wirkt, als sei es komplett in einem Jugendmädchenzimmer des 20. Jahrhunderts entwickelt worden, erinnert weniger an eine Illustrierte, als an ein Poesiealbum. […] Die Flow-Frau mag jung sein, sie mag Geschmack haben – vom Leben, so scheint es, ist sie ziemlich überfordert. Das Magazin für sie ist auch ein Magazin für alle, denen die Beschleunigung des Lebens zu viel ist. […] Flow wirkt, als wolle die kleine Redaktion das „Landlust“-Modell für Latte-Macchiato-Mädchen fortschreiben. Flow ist viel urbaner als das Landfrauenblatt – letztlich aber genau so provinziell: Bloß keine echten Nachrichten, sondern die heile Welt in ihrer ganzen Banalität.“ (Quelle)
Die Kritik auf Spiegel Online stößt bei vielen Leserinnen auf Unmut. Solche Rückschlüsse auf die Leserschaft seien „Humbug“. Die Leserinnen seien nicht vom Leben überfordert, vielmehr sei das Magazin für ein entspanntes Lesestündchen geeignet. Dies bedeute aber nicht, dass man sich nicht über andere Themen informiere. Sich 24 Stunden „den Müll dieser Welt“ reinzuziehen, sei auf Dauer auch nicht gesund. Zumal nicht jedes Printmedium den Anspruch eines kritischen Journalismus haben müsse.
Bedarf an „Heile Welt“-Magazinen und Themen
Es gibt offensichtlich einen großen Bedarf an „Heile-Welt-Magazinen und –Themen“. Ob man diese gut findet oder nicht, darüber lässt sich streiten. Viele Leserinnen nehmen diese Art von Zeitschriften jedoch wohlwollend an. Das bestätigen die starken Auflagenzahlen. Themen wie dem Alltag zu entfliehen, dem Perfektionismus und den eigenen Ansprüchen zu entkommen, Tempo aus dem Alltag zu nehmen oder besser auf sich selbst zu achten sind längst nicht mehr esoterische Hirngespinste. Oftmals dienen diese Themen als Ausgleich zum stressigen Berufsleben und bilden einen Gegentrend zur schnelllebigen Konsum- und Wegwerfgesellschaft. Hier zeichnet sich eine gesellschaftliche Entwicklung ab, die auch die Produkt-PR im Blickfeld haben sollte.
Was bedeutet das für die Produkt-PR?
Gerade in der FMCG-Branche gilt es, Produkte mit Themenfeldern zu besetzen, die eine hohe öffentliche Relevanz besitzen. So hat beispielsweise einer unserer Kunden aus der Kaffee-Branche die Themen „Entschleunigung“ und „bewusster Genuss“ in den Vordergrund der Kommunikation gestellt. Hierbei geht es nicht um den schnellen Coffee-to-go beim Kaffeeladen um die Ecke, der für einen kurzen Koffein-Kick sorgt, sondern um das Zelebrieren des Kaffeetrinkens mit Ruhe und ausgiebigem Genuss.
Der Trend geht hier eindeutig weg von rein zahlen- und faktenbasierten Texten, hin zu mehr Emotionalität, sowie Themen in glaubwürdiger und zielgruppengerechter Weise aufzugreifen – Stichwort: Storytelling.