Jan Böhmermann und die Grenzen der Pressefreiheit

Screenshot ZDF Mediathek
Ein Gedicht des Satirikers und Moderators Jan Böhmermann sorgt zurzeit für ordentlichen Wirbel. Die Aufregung ist groß, die einen sehen die Pressefreiheit bedroht und die anderen finden, Jan Böhmermann sei mit seinen vulgären Äußerungen über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan entschieden zu weit gegangen. Alle diskutieren mit: Prominente, die meinungsbildenden Medien, Politiker, zuletzt hat sich sogar die Bundeskanzlerin zu Wort gemeldet. Besondere Brisanz gewinnt das Thema zudem durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die kürzlich gegen Böhmermann und das ZDF aufgenommen wurden.
Die Vorgeschichte
Wie alles begann: am 17. März wurde ein Satirebeitrag in der NDR-Sendung „Extra3“ ausgestrahlt. Zur Musik von Nenas „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ wurden dem türkischen Staatschef Textzeilen wie „Ein Journalist, der irgendwas verfasst, was Erdogan nicht passt, ist morgen schon im Knast“ in den Mund gelegt. Daraufhin hat die türkische Regierung den deutschen Botschafter Martin Erdmann einbestellt und eine Löschung des Beitrags verlangt. Diese Forderung wurde in Deutschland als Anmaßung einhellig zurückgewiesen. Die Bundesregierung in Form von Außenamts-Staatssekretär Markus Ederer machte in einem Telefonat mit seinem türkischen Amtskollegen deutlich, dass die Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland „nicht verhandelbar” sei. So weit so gut.
Das Schmähgedicht und der öffentliche Aufschrei
Kurze Zeit später, am 31. März, trug, der für seinen provokanten Stil bekannte Jan Böhmermann, in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ ein Gedicht mit dem Titel „Schmähkritik“ vor. Inhalt waren aneinandergereihte primitive Aussagen, mit Bezug auf den türkischen Präsidenten. Ziel des Beitrags war es nach eigener Aussage von Jan Böhmermann, die „Grenzen der Pressefreiheit“ zu testen. Denn nachdem sich die Bundesrepublik nach der Kritik Erdogans an der „Extra 3“ klar zur geltenden Pressefreiheit positionierte, setze der Moderator mit seinem „Schmähgedicht“ noch einen drauf. Der Aufschrei war laut. Innerhalb von Stunden entbrannte eine heftige öffentliche Diskussion in allen meinungsbildenden Medien und im Social Web. Diese wird bis heute geführt. Das ZDF hat die Sendung eilig aus der Online-Mediathek entfernt, nachdem Angela Merkel ihn als „bewusst verletzend“ bezeichnete und sich öffentlich distanzierte. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Böhmermann und das ZDF. Die Ermittlungen stützen sich auf zahlreiche Anzeigen von Privatpersonen. Da der strittige Beitrag aber nicht mehr in der ZDF-Mediathek verfügbar ist, steht eine Sicherung der Beweise aktuell noch aus.
Die öffentliche Wirkung
Betrachtet man die öffentliche Wirkung des gesamten Vorgangs entstehen dabei verschiedene Eindrücke im Bezug auf die agierenden Parteien: Zum einen sind da die jüngsten politischen Ereignisse rund um die Flüchtlingsthematik und die öffentliche Haltung der Bundesregierung. Die aktuellen Bemühungen um die Türkei sind ohnehin ein Drahtseilakt. Es geht vor allem darum, dabei unsere demokratischen Wertvorstellungen zu bewahren. Das Thema Pressefreiheit ist in diesem Kontext nicht unerheblich, denn vor allem der restriktive Umgang mit den Medien in der Türkei unterscheidet sich deutlich von der Haltung in unserem Land. Genau diese und dazu noch im direkten Bezug auf die Türkei einzuschränken, dürfte das falsche Signal sein. Zum anderen ist auch der Blick auf die Reaktion des Senders interessant. Das ZDF hat sich ziemlich schnell entschieden zurück zu rudern, als der politische Druck größer wurde. Die eigenen Inhalte zu löschen, ist für ein öffentlich-rechtliches Format ein ziemlich unsouveränes Statement. Es stellt sich die Frage, ob die Verantwortlichen des Senders die Wirkung des Böhmermann-Gedichts nicht vorher hätten absehen können. Das die Grenzen der Provokation mit den Inhalten erreicht oder überschritten werden und auch, dass damit die Gefilde des Rechtssystems gestreift werden, war absehbar.
Der einzige Gewinner heißt aktuell Jan Böhmermann. Der hat nämlich sein Image des mutigen Provokateurs perfektioniert und auf einer gigantischen Bühne und in einem wirklich relevanten Kontext präsentiert. Die Reaktionen der Böhmermann-Fans (über 500.000 Follower) https://www.facebook.com/jboehmermann/?fref=ts zeigen, dass die Sympathien größer werden je mehr der Druck von außen wächst. Der Moderator und sein Gedicht sind eines der Top-Themen in der öffentlichen Diskussion. Böhmerann wird von seinen Fans als Held der Meinungsfreiheit gefeiert, die kürzlich aufgenommen Ermittlungen der Staatsanwalt und die öffentliche Distanz der Kanzlerin verstärken diesen Status nur noch. Für jemanden, der sein Geld damit verdient zu provozieren, dürfte die kontroverse Debatte um seine Arbeit ein eindeutiges Signal: alles richtig gemacht.