Der EXPEDIT-Shitstorm als Ausdruck von Liebe für ein Möbelstück
BILLY, IVAR, KLIPPAN, PAX – die Liste der IKEA-Kultprodukte ist lang. Unter Vinyl-Fans hat es vor allem die EXPEDIT-Serie geschafft, sich zu einem echten Geheimtipp zu entwickeln – bis zu 2.500 LPs passen perfekt in die EXPEDIT-Version mit 25 Fächern. Im Web finden sich gar ganze EXPEDIT-Wände mit Plattensammlungen (zum Beispiel hier!).

Retro-Style mit LPs, Plattenspieler und EXPEDIT-Regal – Bild via Flickr von Marco Becerra (CC BY 2.0)
Jetzt hat IKEA angekündigt, das EXPEDIT-Regal aus dem Sortiment zu nehmen – an sich ein ganz normaler Vorgang: “Wir aktualisieren immer mal wieder unser Sortiment, weil wir es verbessern wollen“, lautet entsprechend der Wortlaut der IKEA-Stellungsnahme.
Ein Nachfolger steht ebenfalls bereits in den Startlöchern: Ab April wird laut IKEA die Regalserie „KALLAX“ bereit stehen und EXPEDIT ersetzen.
IKEA stolpert jetzt allerdings über die eigene Markenstrategie: Bereits seit Unternehmensgründung werden IKEA-Möbel mit einen Namen versehen und damit auch emotionalisiert. Der Unternehmenslegende nach hatte Firmengründer Ingvar Kamprad dies etabliert, da er sich keine Zahlen merken konnte. Aber natürlich will der Konzern – weltweit standardisierter Massenproduktion zum Trotz – eine persönliche und vor allem skandinavische Note bewahren, und setzt dies zudem gezielt im Marketing ein. Dass nach EXPEDIT nun KALLAX kommen soll, befriedigt die EXPEDIT-Fans daher kaum.
Deutlich erkennbar ist dies auch am Shitstorm, der derzeit auf Facebook tobt: Im Minutentakt trudeln derzeit negative Kommentare auf der IKEA Facebook-Seite ein – von der „Entmündigung des Kunden“ ist die Rede – oder gar vom „Mord an einem Kultobjekt“. Eine Protest-Seite gibt es mittlerweile ebenfalls – über 18.500 Fans haben bereits „Rettet das IKEA EXPEDIT-Regal“ geliked. Bemerkenswert ist zudem, dass Online- und Printmedien bereits in der Breite über den „EXPEDIT-Fall“ berichten. IKEA wirkt von der ganzen Geschichte offenbar ziemlich „von der Seite erwischt“ – dazu passt auch das Zitat einer IKEA-Sprecherin: „Für uns war das nicht so das Großereignis.“ (Quelle: STERN)
Ein erster Versuch zur Eindämmung des Shitstorms ist bereits deutlich schiefgegangen und hat die Situation eher noch befeuert. Als Joke gemeint ging der Post „Total doof, wir haben gerade mal KALLAX draußen aufgebaut. Sieht genauso aus wie EXPEDIT.“ mitsamt „Foto bei Nacht“ deutlich nach hinten los. Ironie scheint derzeit nicht wirklich die geeignete rhetorische Herangehensweise an die hochemotionalen Fans zu sein. „Anstatt aufzuklären, wie toll KALLAX ist, indem ihr es vorab zeigt, verarscht und verhöhnt ihr eure Kunden mit diesem schwarzen Bild.“ schreibt z.B. einer der Fans.
Auffällig ist zudem, dass sich immer noch das Gerücht hält, mit dem „Aussterben“ der EXPEDIT-Serie sei auch die ideale Vinyl-Aufbewahrungslösung dahin. IKEA schafft es trotz aller Bemühungen nicht, die Message durchzubringen, dass KALLAX exakt die gleichen Innenmaße hat wie EXPEDIT – und zudem einer eigenen Aussage nach sogar stabiler sein soll. An sich können sich Vinyl-Fans also gar auf KALLAX freuen – Bilder von unter der Last tausender LPs eingestürzter EXPEDIT-Regale gibt es übrigens ebenfalls, zum Beispiel hier.
Insgesamt fällt auf, dass IKEA bislang ansonsten äußerst reaktiv mit der Fan-Kritik umgeht. Ein riskanter, wenn auch durchaus logischer und cleverer Schritt. Interpretiert man den Shitstorm nämlich dahingehend um, dass gerade dieser ein Ausdruck für die Liebe von Kunden an ein Möbelstück ist, spricht nur dafür, dass die Markenstrategie von IKEA aufgegangen ist. Die vielen Posts mit Bildern von kreativen EXPEDIT-Inneneinrichtungen auf der Protestseite „Rettet das IKEA EXPEDIT-Regal“ könnte man zudem als denkbar beste, weil authentischste Werbung für den Möbelbauer sehen. Oder wie schreibt das Facebook-Team von IKEA so treffend?
Hej Ken, aber EXPEDIT stirbt doch nicht – es lebt in euren Herzen und Wohnzimmern weiter!
Und es bekommt nach diesen vielen Jahren einen jungen, frischen und würdigen Nachfolger namens KALLAX. Und der unterscheidet sich doch gar nicht so stark von seinem großen Vorbild…
Überzeug dich im April doch vor Ort mal selbst.
Liebe Grüße, dein IKEA Facebook Team
Bidlquelle: „Vintage Hifi“ – Bild via Flickr von Marco Becerra (CC BY 2.0)