von Johannes Kohrs
Kategorie Blog Kommunikation HR
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Ein kleiner Kommentar zum Diversity Day: Diversität in der Werbung

Diversität oder Diversity, das vielzitierte Ideal sozialer Integration, erfreut sich in der liberalen Gesellschaft großer Zustimmung. In der Werbung dient es oft nur einem Zweck: der Legitimierung von Marken. Der Versuch, mit Sozialkritik das Produktimage zu optimieren, nimmt teilweise absurde Ausmaße an. Das zeigte zuletzt eine Marketingkollaboration zwischen Skyy Vodka und einer deutschafrikanischen Musikerin.

„Einen Shot für die Brüder im Geiste“, oder: Celebrate Diversity

Eunique, besagte Deutschrapperin aus Hamburg, setzte Ende vergangenen Jahres ihr gesangliches Talent für einen Werbespot der US-amerikanischen Wodkamarke „Skyy Vodka“ ein. Mit dem Claim „Eine Generation weiter“ etabliert darin der Spirituosenhersteller, der zum Campari Konzern gehört, die schwarze Künstlerin als Gallionsfigur für Vielfalt, Gemeinschaft und, naja, Party eben. Frei nach dem Motto „stop stereotyping, start celebrating“, wird in diesem Clip ein ziemlich banales berauschtes Beisammensein inszeniert. Das provoziert die polemische Frage, was Sozialkritik jetzt eigentlich genau mit – pardon – Saufen zu tun hat? #Einheitsbreit, so könnte man den Kampagnenhashtag auch übersetzen (#celebratediversity). Dieses etwas missglückte Beispiel kommerziell instrumentalisierter Diversity rechtfertigt einen kritischen Blick auf den (Mehr-) Wert von Vielfalt als kommunikativer Strategie.

Die Marke: Vodka als „progressiver Nightlife-Vorreiter“

Diversität ist ein wirkmächtiges Marketinginstrument. Mit diesem geflügelten Begriff, der genauso unterstützenswert wie unkonkret ist, lässt sich prima Meinung machen. Na klar, wir sind alle für eine offene und freie Gesellschaft. Aber ein nuancierter Blick darauf, wie genau die aussehen könnte, und wer eigentlich genau bestimmt, für wen da was offen wäre, dafür reicht dann meist die Sendezeit nicht. Die 60 Sekunden Sozialkritik, die Skyy Vodka in den Clip gepackt hat, bleiben ähnlich nebulös wie die rauchverhangenen Shots, die sich darin aneinanderreihen. Ok, die kausale Kette von Alkohol zu „Lass unsere Eigenheiten gemeinsam feiern“ kann man noch irgendwie nachvollziehen. Alkohol regelt, sowohl schlechte Laune als auch den sozialen Frieden. Und ja, das passt alles irgendwie ganz nett zusammen: Das sozial wertvolle Partyspektakel, der bewusste Alkoholkonsum (hier wird nicht einfach gebechert, sondern ordentlich angestoßen), die Künstlerin „Eunique“, deren Name übersetzt so viel wie „schön einzigartig“ bedeutet, und der man gerne diese Plattform des „Empowerments“ gönnen will. Mit dieser entgrenzten Ekstase schickt sich der Clip also an, stereotype Denkmuster aufzubrechen. Laut Camparis Marketing Director, Thomas Damen, avanciert die Vodka-Marke hier zum „progressiven Nightlife-Vorreiter“ (W&V). Problem ist, dass durch diese doch sehr anmaßende Verbindung von – nochmal mit Verlaub – Saufen und Sozialkritik Diversität zum peinlichen Klischee verkommt.

Die Target Audience: Berauscht vom eigenen sozialen Bewusstsein?

Stichwort „Saufen“. Wir wollen festhalten, dass es hier immerhin um Vodka geht. Respekt, wenn Eunique die diversen Shots mit ihren „Brüdern im Geiste“ durchhält, die sie da besingt. In ihrem „Block“ (Vorbild der Szenerie ist wohl Berlin), dem authentischen Stamm-Milieu aller Typen und Facetten von Andersartigkeit, treffen knutschende Schwule – zunächst wahrgenommen als rivalisierende Alpha-Males – auf farbenfrohe Drag Queens, zieht eine kopftuchtragende Muslimin betont selbstbewusst an der Shisha. Sogar ein Rollstuhl wird mal kurz über die Tanzfläche geschoben. Im Gegensatz zu dieser possierlichen Pluralismus-Parade ist die Zielgruppe des Werbespots denkbar undivers. Für den weißen männlichen Hipster, der am Anfang alleine am Straßenrand steht, wird die Vodka Flasche zum „Eintrittsticket“ für eine Fahrt im „Diversity-Mobil“ (ein fetter SUV – für Klimaschutz ist man wohl doch nicht bewusst genug?), aus dem Eunique lässig winkt. Wenn hier die Zielgruppe in ihrem „natürlichen Konsumumfeld“ erreicht werden soll (O-Ton Herr Damen), dann sind das augenscheinlich vor allem weiße Männer mit ausreichend Patte, um statt beispielsweise Movskovskaya doch den etwas teureren Tropfen von Skyy zu genießen. Jura- oder BWL-Studenten, zum Beispiel, Söhne wohlsituierter Eltern, für die das Nachtleben der Großstadt zum exotischen Spektakel wird. Alle sind frei und gleich für einen Abend, aber nichts scheint verbindlich. Die Ausnüchterung kommt so sicher wie das „Mahlzeit“ im Büro.

Fazit

Stellen wir uns doch mal kurz vor, Mr. Hipster wäre genau dort auf Eunique getroffen, am Arbeitsplatz, wo Gleichstellung und Integration mal wirklich angesagt wären. Hier würde wohl weit unwahrscheinlicher Skyy Vodka oder irgendetwas anderes fließen, um etwa auf Euniques Beförderung anzustoßen. Häufig stehen am Ende dieser Auseinandersetzung mit Andersartigkeit wie im Clip von Skyy Vodka nicht die als „empowered“ da, die es nötig hätten, sondern vor allem die weiße, männliche, sich selbst als liberal begreifende Mehrheit. Unter dem Deckmantel von Diversität wird so eine Marke legitimiert, die sich einer Zielgruppe anbiedert (Mitt-/End-Zwanziger in ihren besten Partyjahren), die es sich nicht nur leisten kann, gegenüber gesellschaftlichen Themen offen zu sein, sondern auch eine relativ hohe Grundskepsis gegenüber konventioneller Werbung hat. Im Gegensatz zur Freizeit lässt die Arbeit noch denkbar selten Spielraum für solche sozialen Experimente. Hier, wo der „Ernst des Lebens“ herrscht, bleibt häufig genug die Frage, die sich auch die Gesellschaft als Ganzes angesichts sozialer Spannungen immer häufiger stellen muss: wie viel Diversität können wir uns eigentlich leisten?

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