Der schmale Grat zwischen Fehlinformation, Desinformation - und fehlender Information
Immer wieder stoße ich derzeit in sozialen Netzwerken auf geteilte Beiträge, bei deren Headline eigentlich jedem halbwegs intelligenten Menschen klar sein müsste, dass da was nicht stimmt. Gefühlt hat dies zugenommen – von rechter Hetze über skurrile Verschwörungstheorien bis hin zu eindeutig tendenziöser Berichterstattung ist alles dabei. Fehlinformationen wie die angebliche Trump-Vorhersage der Simpsons oder um Alien-DNA in Meteoriten sind da noch wirklich harmlos. Nun mag man sich darüber wundern, dass dem so ist – ich persönlich sehe allerdings eine echte Gefahr, die sich aus dem Sammelsurium an Fehlinformation und Desinformation entwickelt: In dem Moment, in dem Meldungen gar nicht mehr überprüft, hinterfragt – oder im schlimmsten Fall gar nicht gelesen werden – ist es ein Einfaches, die mediale Agenda gezielt zu manipulieren. Donald Trump ist ein gutes Beispiel dafür, wie man populistische Manipulation zur Erreichung eigener Ziele nutzen kann – und auch diverse politische Kräfte in Deutschland verstehen sich wunderbar darin, gezielte Desinformation als Mittel zur Bauernfängerei einzusetzen.
Doch was steckt dahinter, wenn Beiträge mit reißerischen Überschriften von scheinbar seriösen Quellen geteilt werden? Ist es ein Mix aus Informations- und Sensations-Gier und Informationsüberflutung, die dann dazu führt, dass alles oberflächlich konsumiert wird, was an Informationen so auf uns einprasselt? Führt der Informations-Overkill dazu, dass immer weniger Zeit dafür da ist, Quellen zu überprüfen und Google anzuschmeißen um mal einen Quercheck zu machen, was andere Quellen so schreiben oder wie die Ansicht der Dinge im Ausland ist um vielleicht noch andere Sichtweisen zu bekommen?
1) Read it!
Sind wir mal ehrlich: Vielleicht würde es bei vielen Artikeln schon genügen, wenn man einen Beitrag liest und versteht, bevor man ihn teilt. Oder mal auf’s Datum schaut um zu checken, von wann der Beitrag ist. Denn zum einen wird eine noch so reißerische Überschrift (Alien Signal entdeckt!!!!1elf) im weiteren Verlauf eines Artikels dann doch deutlich relativiert (…kann auch von einem terrestrischen Satelliten stammen…) oder ist ein alter Hut, der sich längst erledigt hat (Tadaa, ist ein russischer Spionage-Satellit – weiß man seit 1998!). So hat man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Man postet nicht irgendeinen alten Schrott und müllt damit seine Timeline zu – und man nervt niemanden damit. Winwin.
2) Check it!
Wow, auf crazyconspiracyshit.blogspot.com schreibt jemand, dass Osama bin Laden in Wirklichkeit ein Cousin von Dick Cheney ist? In vielen Fällen hilft ein einfacher Blick auf die URL der Quelle, auf Querverlinkungen – oder ein Blick ins Impressum der jeweiligen Superduper-Investigativ-Webseite. Und nein, Anonymous ist nicht auf Facebook und zeigt uns dort die wahre Welt! Eine kleine Google-Suche zum krassen Alien-Signal, der angespülten Meerjungfrau oder einem komplett aus dem Kontext gerissenen Zitat kann auch helfen – und selbst wenn mehrere (seriöse!) Quellen eine News aufgreifen (Stichwort: Simpsons!), muss diese noch lange nicht stimmen. Im Fall der gelbhäutigen Familie aus Springfield lohnt es sich durchaus, mal in einem Fan-Forum zu stöbern – oder mal drüber nachzudenken, ob man es nicht eigentlich doch besser weiß wenn man kurz drüber nachdenkt, bevor man den Share-Button drückt.
3) Broad your mind!
Die böse Lügenpresse ist eh vom Staat gesteuert und nur auf derwaechter oder im Compact-Magazin gibt es noch freie Meinung? Come on! Es gibt sowas schönes wie Google – oder ganz oldschool den Zeitungs-Kiosk. Ideologien waren noch nie eine gute Grundlage für Fakten – und Scheuklappen sowie die Zentrierung auf zwei, drei Medientitel auch nicht. Und auch ein Blick über den deutschen Tellerrand hinaus hat noch nie geschadet – wie sieht CNN die Welt? Was schreibt die Cumhuriyet (wenn sie denn noch darf…) – und wie sehen renommierte Politik-, Geschichts- und was weiß ich was-Blogger die Welt? Man checkt doch auch mehrere Quellen – tripadvisor, Lonely Planet etc. – bevor man in den Urlaub fährt – warum nicht auch bevor man einen Beitrag teilt?
Wir leben in einer Zeit, in der der ungesunde Menschenverstand regiert.Nicht umsonst wurde „postfaktisch“ vom Oxford Dictionary zum internationalen Wort des Jahres gewählt. Das Adjektiv beschreibe laut Oxford Dictionary die gegenwärtigen Umstände, in denen die öffentliche und demnach auch persönliche Meinung weniger durch objektive Tatsachen als durch das Hervorrufen von Emotionalität und Ideologie sowie persönlichen Überzeugungen beeinflusst werde. Meiner Ansicht nach kann jeder Einzelne einen kleinen Beitrag gegen die Informations- und Bullshit-Kackophonie leisten. Kurz gesagt: Bitte hört auf, jeden Mist zu teilen! Und bitte hört auf, diesen Mist auch noch zu einem Bestandteil eures Weltbilds zu machen!
Bildquelle: „Inhalte überwinden…“ – Plakat von „DIE PARTEI„