Der goldene Windbeutel von Foodwatch als Wurfgeschoss einer kritischen Gesellschaft

Der goldene Windbeutel 2013 ging an Capri Sonne. Rund 120.000 Verbraucher haben bei der Wahl der aggressivsten Marketingmethode für den Saft-Soft-Drink gestimmt. Doch das war nur der Anfang. Es folgten ein Facebook-Shitstorm und die unangenehme Präsenz in meinungsbildenden Medien, wie der Tagesschau. Das i-Tüpfelchen setzte Foodwatch, nachdem Versuch einer Stellungnahme der Markenverantwortlichen, mit einem zynisch-entlarvenden Youtube-Video, das sich großer Beliebtheit erfreute.

Quelle: Foodwatch

Quelle: Foodwatch

Die Argumentation von Foodwatch ist folgende:

„Capri-Sonne & Co. sind Dickmacher ersten Ranges, das ist wissenschaftlich erwiesen. Dennoch fixt Wild Kinder auf allen Kanälen an, immer noch mehr Zuckergetränke zu konsumieren – im Internet, Fernsehen, in der Schule, bei Sportveranstaltungen und sogar als Kinderbetreuer in Ferienanlagen. In einer ganzen Reihe von Studien ist der Zusammenhang zwischen Soft-Drink-Konsum und dem Risiko für die Bildung von Übergewicht belegt. In Deutschland gelten 15 Prozent der Kinder als übergewichtig, 6 Prozent sogar als fettleibig (adipös). foodwatch fordert daher ein grundsätzliches Verbot der Bewerbung unausgewogener Produkte direkt an Kinder.“ (Quelle: Foodwach)

Die Vorhersehbarkeit der Krise und die Fehleinschätzung der Situation

Ein harter Schlag für die 40 Jahre alte Marke. Kritisiert wurde der hohe Zuckergehalt des Getränks in Kombination mit einer aggressiven Marketingstrategie, die sich gezielt an Kinder richtet. In Zeiten eines wachsenden Gesundheitsbewusstseins und einer großen medialen Aufmerksamkeit auf adipöse Kinder, jedoch nicht verwunderlich.

Viel mehr überrascht die eigene Marken-Wahrnehmung des Unternehmens Wild. Capri Sonne wird selbstsicher ins Rennen um die Gunst der deutschen Kinder geschickt. Volkommen versäumt wurde dabei, zu reflektieren, um welchen Mega-Trend sich unsere Gesellschaft aktuell dreht und wo Capri Sonne in diesem Kontext steht. Lediglich halbherzig wurde der Nachhaltigkeits-Boom aufgegriffen und in Form einer „Bio Schorly“ abgefrühstückt. Die Quittung kam mit dem goldenen Windbeutel, dem erwartungsgemäß ein Shitstorm auf der Capri Sonne Facebook-Seite folgte. Das Krisenmanagement von Wild zeigte, wie unvorbereitet das Unternehmen auf die harte Kritik an Capri Sonne zum einen und auf die Spielregeln im Social Web zum anderen war.

Ohnmacht in der Krise durch fehlendes Bewusstsein

Die Orientierungslosigkeit von Wild spiegelte sich vor allem in der schwachen und fast schon reflexartigen Krisenkommunikation. Auf der Capri Sonne Facebook-Seite gratulierten unzählige Verbraucher zum Goldenen Windbeutel. Selbst konstruktive Kritik und Fragen wurden von Unternehmensseite nicht beantwortet. Dialogorientierte Kommunikation geht anders. Ein massiver Imageverlust für die Marke ist zweifellos die Folge.

Eine große Unsicherheit zeigte die Einstellung der Auslieferung der kritisierten Unterrichtsmaterialien, obwohl die Kritik entschieden von sich gewiesen wurde. Eine offizielle Presseerklärung wurde nach der Nominierung am 18. April veröffentlicht. In der Stellungnahme wurde erklärt, der Zuckergehalt läge nicht über dem von Fruchtsaft und sei korrekt deklariert. Und außerdem: “Es ist nicht richtig, dass Capri-Sonne an Kinder vermarktet wird. (…) Richtig ist, dass Capri-Sonne auch Kommunikation an Kinder richtet.” Kurze Zeit später wurde der Text wieder von der Website des Unternehmens entfernt. Denn auf die ausweichende Erklärung veröffentlichte Foodwatch ein recht unterhaltsames Video, das bis dato 416.090-mal gesehen wurde.

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Durch den wenig stringenten Kurs gelang es Capri-Sonne nicht, die Krise einzudämmen und unbeschadet oder gar gestärkt aus ihr hervorzugehen. Im Gegenteil. Die Schuldigkeit wurde durch die Einstellung der vorher verteidigten Aktivitäten an Schulen und den Rückzug der Pressemitteilung indirekt akzeptiert.

Der Shitstorm, die Demokratisierung der Kommunikationsströme in ihrer deutlichsten Form

Es gilt nicht mehr, das Prinzip der schillernden Markenwelten, die von unantastbaren Instanzen inszeniert, diktiert und gesteuert werden. Heute ist mehr gefragt, oder auch weniger. Es geht um Authentizität, um Anfassbarkeit um Dialogbereitschaft, und letztendlich um Vertrauenswürdigkeit. Eigentlich sollten diese Ansprüche doch leicht zu befriedigen sein, sind sie doch so menschlich und für jeden nachvollziehbar. Das ist aber nicht der Fall. Vor allem Traditionsmarken wie Capri Sonne, die es gewohnt sind keine Rechenschaft für ihr Tun ablegen zu müssen, verstehen nicht, dass Werbung heute anders funktioniert. Das“ Werben“ im wahrsten Sinne, meint nicht das Überstülpen der eigenen Wunsch-Markenwelt, sondern im ersten Schritt, das Verstehen der Bedürfnisse. Das erfordert den Dialog und der lässt sich auf Social Media Plattformen wie Facebook führen. Zugebeben, es lässt sich inmitten eines Shitstorms nicht angenehm plaudern. Dafür ist eine solche Situation eine echte Chance, um dem verunsicherten Verbraucher eine neue Sicherheit zu verschaffen und ihn so unter Umständen sogar enger an die Marke zu binden.

Die Schlussfolgerung kann nur lauten, dass Wegducken in Zeiten digitaler Vernetzungsmöglichkeit nichts mehr bringt. Gerät eine Marke in die Kritik, ist wohlüberlegtes und besonnenes Handeln gefragt. Unternehmen, die auf den Krisenfall vorbereitet sind, haben deutlich bessere Chancen den gefürchteten Imageschaden von ihren Marken abzuwenden. Der Dialog ist der Weg, um sich das Vertrauen des Verbrauchers zu erarbeiten. Marktteilnehmer, die eine öffentliche Aufmerksamkeit erzielen, sollten ihr Bewusstsein über den eigenen Standpunkt deutlich schärfen. Angriffe von außen sind einzukalkulieren, die Welt in der wir uns bewegen, wird faktisch immer transparenter. Die Chance besteht darin, Trends und Bewegungen frühzeitig zu erkennen und die eigenen Aktivitäten daraufhin immer wieder kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.

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