CGI-Influencer – Die Zukunft der Markenkommunikation?

Miquela Sousa hat es geschafft: Mit gerade einmal 19 Jahren gilt sie als gefragte Influencerin, die bereits für zahlreiche Kampagnen großer Marken wie Prada, Nike oder Calvin Klein gebucht wurde. Neben ihrer Tätigkeit als Model ist Lil Miquela, wie sie sich auf den einschlägigen Social-Media-Pattformen nennt, auch als Musikerin erfolgreich und unterstützt als Aktivistin unter anderem die Black-Lives-Matter-Bewegung sowie die LGBT-Community. Für ihre mittlerweile 1,8 Millionen Follower allein auf Instagram ist sie ein Vorbild – und für Unternehmen die perfekte Markenbotschafterin.

Eine klassische Erfolgsstory unserer Zeit? Nicht ganz. Zwei Jahre, nachdem Lil Miquela ihren Instagram-Account aktiviert hat, postet sie ein Geständnis: „I’m not a human being.“ Die 19-jährige Halbbrasilianerin mit dem Sommersprossengesicht und der Stupsnase ist ein Computer Generated Image (CGI), entworfen von dem kalifornischen Startup Brud, das laut eigenen Angaben auf Robotik und künstliche Intelligenz spezialisiert ist. Und Lil Miquela ist nicht allein: Mit ihrem Kumpel Blawko, der sich selbst als „young robot sex symbol“ bezeichnet und nie ohne Designer-Mundschutz virtuelle Frischluft schnuppert, sowie dessen Ex-Freundin Bermuda, bekennende Trump-Unterstützerin und zeitweise Gegenspielerin von Miquela, hat Brud zwei weitere CGI-Influencer ins Leben gerufen – und damit die Grundlage für Storylines geschaffen, die das Interesse der Follower langfristig aufrechterhalten sollen.

Dass die Digitalisierung auch vor Influencern nicht Halt macht, ist wenig überraschend. Die große Beliebtheit der virtuellen Social-Media-Stars hingegen schon. So weisen die Posts von Lil Miquela und ihren digitalen Geschwistern eine ähnlich hohe Interaktionsrate auf wie die ihrer menschlichen Influencer-Kollegen. Zwar wird in den Kommentaren nach wie vor diskutiert, wen oder was man sich da eigentlich gerade angeschaut hat – für die aufgeklärten Fans scheint die Tatsache, dass es sich lediglich um 3D-Avatare handelt, allerdings kaum eine Rolle zu spielen. So wird Lil Miquela mit Beziehungs- und Freundschaftsanfragen überhäuft, nach ihrer Haut- und Haarpflegeroutine gefragt („Your skin looks georgeous! What products do you use?“) und für ihr musikalisches Talent ebenso gefeiert wie für ihre authentische Persönlichkeit. Amüsant? Manchmal. Creepy? Absolut!

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Der menschliche Faktor – Eine Gefahr für die Markenkommunikation?

Der ursprüngliche Erfolg des Influencer-Marketings liegt darin begründet, dass Produkte von Menschen vorgestellt werden, die von potenziellen Kunden als möglichst nahbar und vertrauenswürdig wahrgenommen werden. Welche Vorteile sollte es also für Unternehmen haben, CGI-Influencer in der Markenkommunikation einzusetzen? Befürworter derartiger Kampagnen betrachten ausgerechnet den bis dato erwünschten menschlichen Faktor als Schwachstelle. Die Zusammenarbeit mit echten Personen geht neben einem relativ hohen Zeitaufwand immer auch mit einem gewissen Kontrollverlust einher. Demgegenüber soll der Einsatz von virtuellen Influencern den Unternehmen eine wesentlich schnellere Reaktion auf Social-Media-Trends ermöglichen und das Risiko unerwünschter Entwicklungen minimieren. Denn zum einen fällt die komplette Kommunikation und Abstimmung mit den Influencern weg. Und zum anderen erhalten Unternehmen die volle Kontrolle über den Content, der veröffentlicht wird. Es gibt keine (echte) persönliche Meinung mehr, welche die Message oder den Verlauf der Kampagne auf unvorhergesehene Weise beeinflussen könnte. Marke und Influencer werden eins. Und Authentizität ist allenfalls ein Eindruck, der nur noch künstlich erzeugt werden kann.

Wie viel Fake ist erlaubt?

Den Vorwurf, dass der Einsatz von CGI-Influencern eine ethische Grenze überschreitet, wissen die Entwickler geschickt für sich zu nutzen. Anstatt selbst darauf zu reagieren, überlassen sie Lil Miquela in den zahlreichen mit ihr geführten Interviews (ja, auch die gibt es) das Wort: „Can you name one person on Instagram who doesn’t edit their photos?“ Und: „I think most of the celebrities in popular culture are virtual!“ Nichts von dem, was wir in den sozialen Medien sehen, ist zu hundert Prozent echt. Aussehen und Lifestyle von Influencern erzeugen ein idealisiertes Bild, das es in der realen Welt so nicht gibt. Warum also nicht gleich selbst die perfekten Markenbotschafter entwerfen? Die Nutzung CGI-basierter Lösungen ist hierbei nur eine Vorstufe. Schon längst arbeiten Unternehmen an der Entwicklung von AI-Influencern, die ganz ohne menschliches Zutun ihre Social-Media-Kanäle bespielen und mit den Usern interagieren.

Trotz des Erfolgs, den CGI-Influencer insbesondere bei der Zielgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen genießen, bleibt ihr Einsatz in der Markenkommunikation umstritten. Ausgerechnet in Zeiten, in denen Selbstakzeptanz auf allen Ebenen gepredigt wird, setzen Unternehmen auf digitale Charaktere, deren perfektes Leben von der Realität der User nicht weiter entfernt sein könnte. Kritiker sehen hierin einen bedenklichen Trend. Vielleicht ist es aber auch eine Chance. Denn genau genommen sind CGI-Influencer nichts anderes als die konsequente Weiterentwicklung dessen, was bereits vor Jahren seinen Anfang genommen hat: “[T]hey are parodies of influencers who post sponsored selfies and outfits of the day alongside activist calls to arms and turmeric lattes.” Miquela und Co. als Produkt gewissenloser Entwickler und Marketingchefs abzutun, wäre zu einfach. Sie sind mehr als das. Die digitalen Influencer halten uns einen Spiegel vor. Und sie haben dafür gesorgt, dass das Thema Authentizität in der Markenkommunikation wieder rege diskutiert wird – nicht nur in Fachmagazinen, sondern vor allem dort, wo die Wirkung am größten ist: in den sozialen Medien.

Quellen:

https://www.youtube.com/watch?v=NdNYAiU-SLI

https://www.bbc.com/worklife/article/20180402-the-fascinating-world-of-instagrams-virtual-celebrities

https://www.refinery29.com/en-gb/bermuda-instagram-cgi-influencer

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