Bertelsmann kauft Gruner + Jahr: Die Folgen für die PR-Branche
Vergangenen Montag (06.10.2014) fand ein Stück hanseatische Verlagsgeschichte ihr Ende: Bertelsmann – Europas größter Medienkonzern – kündigte an, den kriselnden Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr (u.a. „Stern“, „Geo“, „Gala“, „Capital“, „Brigitte“) komplett zu übernehmen. Für einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag erwirbt der Gütersloher Medienkonzern die Minderheitsbeteiligung der Familie Jahr (25,1 Prozent Anteile an G + J).
Was will Bertelsmann mit G+J?
Viele Journalisten und PR-Experten fragen sich nun: Was will Bertelsmann (u.a. RTL und Penguin Random House) mit dem kriselnden Zeitschriftenverlag? Schließlich sinken Umsätze und Gewinne im Printbereich bei G+J kontinuierlich und auch das Digitalgeschäft bei Stern, Brigitte & Co. ist eher schwach.
Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Rabe ließ erahnen, wohin die Reise gehen soll: Bertelsmann will G+J in kurzer Zeit wieder auf Erfolgskurs trimmen und die dafür nötigen Investments erbringen. Mittelfristig sollen sich durch die Zusammenarbeit des Zeitschriftenverlags G+J mit anderen Bertelsmann-Konzerntöchtern wie RTL oder Random House Synergieeffekte ergeben. Auch der Abbau doppelter Strukturen in Verwaltung und Redaktionen steht auf der Agenda. Derzeit deutet also alles auf eine stärkere Zentralisierung hin.
Bertelsmann gehört mit einem Umsatz von über 16 Milliarden Euro und über 100.000 Beschäftigten in mehr als 50 Ländern zu den größten Medienunternehmen weltweit. Dem Konzern gehören die Fernseh- und Radio-Gruppe RTL mit Sendern und Produktionsfirmen in Deutschland und anderen europäischen Ländern sowie Asien. Hinzu kommt die nach eigenen Angaben weltweit größte Buch-Verlagsgruppe Penguin Random House, zu der 250 Einzelverlage zählen. Sie verkauft insgesamt 700 Millionen Bücher, E-Books und Hörbücher pro Jahr. Ergänzt wird das Portfolio durch Tochterfirmen wie dem Dienstleister Avarto oder dem global tätigen Musikrechte-Unternehmen BMG. (Quelle: Zahlen und Fakten bertelsmann.de)
Weiteres Einsparpotential bei G+J?
Der harte Kurs bei G+J setzt sich also fort: Bereits im August hatte Gruner + Jahr angekündigt, in den nächsten drei Jahren 400 Stellen zu streichen. Auch die Aussetzung des Henri-Nannen-Preises, einer der renommiertesten deutschen Journalistenpreise, war vielen Journalisten ein Dorn im Auge.
Entsprechend wächst die Sorge um den verlegerischen Anspruch nach dem Ausstieg der Jahr-Familie: So fordert der Deutsche Journalisten-Verband den Medienkonzern auf, den Umstrukturierungsprozess konstruktiv zu begleiten. DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken appelliert an Bertelsmann, den bei G+J bereits angekündigten Abbau von 400 Arbeitsplätzen in den nächsten drei Jahren zu überdenken. „Nur mit genügend redaktionellen Arbeitsplätzen haben die Journalisten und Journalistinnen genug Zeit für Themenfindung, Recherche und Schreiben. Nur so können sie gute Qualität liefern“, betont Konken.
Was bedeutet das für die PR-Branche?
Auch für die PR-Branche wird die Übernahme von G+J Veränderungen bringen. Schließlich verfügt G+J u.a. mit „Stern“, „Capital“ und „Brigitte“ trotz sinkender Auflagen weiter über relevante Zielmedien. Viel hängt davon ab, wie Bertelsmann den Verlag zukünftig positioniert: Sollte Bertelsmann die redaktionelle Arbeit zentralisieren, so verringert sich für die PR-Arbeit die Anzahl der Kontaktstellen für Themen- oder Newsplatzierungen weiter.
Das kann einerseits Vorteile, andererseits auch Nachteile haben. Ob Themen und News schließlich Beachtung finden, hängt dann in noch stärkerem Maß vom subjektiven Empfinden einiger weniger Journalisten ab. Hier besteht aber, wie bereits im Blog-Beitrag vom 01. Oktober beschrieben, die Chance, dass sich PR-ler und Journalisten näher kommen und die Beziehung und Zusammenarbeit intensiviert wird.
Denn dort wo Zeit für journalistische Tiefe fehlt, können PR-Stellen ansetzen und wertvolle Arbeiten liefern, etwa Hintergrundinfos, Interviewpartner und Themeninspirationen anbieten. Auch der Bauer-Verlag oder der Hubert Burda Verlag verfolgen diese Strategie und haben für verschiedene Ressorts zentrale Redaktionen geschaffen, die Themen und News auswählen, aufbereiten und an verschiedene Titel verteilen. Die Relevanz von PR für den Journalismus wächst also weiter.