Fake News – Faktenchecker braucht das Land
Nachrichten sind das Fundament des Journalismus. Die Öffentlichkeit über relevante News zu informieren, ist eine der wichtigsten Aufgaben der meinungsbildenden Medien. Die Fakten werden gründlich recherchiert und möglichst objektiv in die Welt getragen. Oft sind sie nicht erfreulich und werden dennoch verbreitet. Für viele dienen heute nicht nur die klassischen Medien wie die Öffentlich-rechtlichen oder die großen Tageszeitungen als Informationsquellen, sondern auch Facebook, Twitter und Instagram. Problem: Inhalte werden in den Social Media Kanälen nicht von Journalisten veröffentlicht, vielmehr kann jeder bereitstellen, was er oder sie will.
Dass dabei ziemlich viele Halbwahrheiten oder frei erfundene Storys entstehen, kann sich jeder vorstellen. Welche Tragweite diese Geschichten haben können und dass die öffentliche Meinung tatsächlich von unseriösem Content beeinflusst werden kann, wurde während des US-Präsidentschaftswahlkampfs im vergangenen Jahr deutlich.
Verunsicherung und Aktionismus
„Fake News“ sind das Thema der Stunde. Die Verunsicherung ist groß und der Aktionismus ebenso. Von der Verpflichtung für Netzwerke, jederzeit erreichbare Meldestellen einzurichten, über den Aufbau eines Desinformations-Abwehrzentrums bis zur Strafverschärfung reichen die Vorschläge. Eine gangbare Lösung fehlt bisher, muss aber dringend her. Denn der Schaden, der der Gesellschaft durch „Fake News“ entstehen kann, ist zumindest potenziell hoch. Im US-Wahlkampf wurden die 20 erfolgreichsten Falschmeldungen öfter geteilt, gelikt und kommentiert als die 20 erfolgreichsten Berichte seriöser Medien. In Deutschland ist die Einflussnahme Russlands durch Social Bots, die reichweitenstark „Fake News“ verbreiten, auf die Bundestagswahl zu beobachten.
Top 10: Die beliebtesten Fake-News
(laut des Analysetools Buzzsumo)
- Obama unterzeichnet Dekret, um das Verlesen des amerikanischen Treueschwurs in Schulen zu verbieten
(2.176.777 Engagements auf Facebook) - Frau gewinnt in der Lotterie, kotet auf den Schreibtisch ihres Chefs und wird festgenommen
(1.765.146 Engagements auf Facebook) - Papst Franziskus schockt die Welt, unterstützt Donald Drumpf als Präsident, veröffentlicht Statement
(960.000 Engagements auf Facebook) - Drumpf bietet jedem kostenlose One-Way-Tickets nach Afrika und Mexiko an, der Amerika verlassen will
(801.741 Engagements auf Facebook) - Beim Ladendiebstahl: Zimtschnecken-Dose explodiert im Hintern eines Mannes
(764.814 Engagements auf Facebook) - Florida: Mann stirbt bei Meth-Labor-Explosion nachdem er seine Fürze angezündet hat
(668.842 Engagements auf Facebook) - FBI-Agent und Verdächtiger im Hillary-Email-Leak tot aufgefunden
(567.000 Engagements auf Facebook) - Rage Against the Machine plant Wiedervereinigung der Band – und Anti-Drumpf-Album
(560.038 Engagements auf Facebook) - Polizei findet Leiche von 19 weißen Frauen in Tiefkühltruhen, denen “Black Lives Matter” in die Haut geritzt wurde
(525.066 Engagements auf Facebook) - ISIS-Anführer ruft amerikanische Muslime dazu auf für Hillary Clinton zu wählen
(522.812 Engagements auf Facebook)
Ein Begriff, drei Bedeutungen
Was meint der Begriff „Fake News“ eigentlich genau? Die „Fake News“, die die aktuelle Debatte entfacht haben, lassen sich in drei sehr unterschiedliche Bedeutungen und Motivationen einteilen:
1. Völlig frei erfundenen Sensationsgeschichten, die Betreiber von eigens eingerichteten Websites nutzen, um ihre Werbeeinahmen zu pushen. Die automatisierte Platzierung von Inhalten auf Webseiten ohne Qualitätsprüfung macht es möglich, dass Aufmerksamkeit sehr schnell zu Cash wird.
2. Umgedeutete Fakten zur gezielten Manipulation öffentlicher Meinung. Ein solcher gezielter Mix aus Fakten und Fiktion stammt aus der ersten Januarwoche und zählt zu den gesellschaftlich gefährlichsten Entwicklungen: Die „Ruhr Nachrichten“ hatten über die Silvesternacht in Dortmund berichtet. Rund 1000 „überwiegend junge ausländische Männer“ hatten sich auf einem Platz versammelt und Feuerwerk gezündet, wohl auch in die Menge geschossen. Das amerikanische Portal „Breitbart.com“ und der österreichische „Wochenblick“ machten daraus einen „Mob“, der eine Kirche angezündet habe. Laut Polizei und „Ruhr Nachrichten“ brannte nur ein Bauzaun-Fangnetz.
3. Informationen, die nicht ausreichend überprüft wurden, weil sie beispielsweise von als vertrauenswürdig eingestuften Quellen stammten. Denn auch etablierten Medien passieren Fehler. Seit Jahrzehnten gibt es dafür z.B. Korrekturkästen in Zeitungen. Auch professionelle Redaktionen mit hohen Qualitätsstandards verbreiten mitunter Informationen, die sich im Nachhinein als nicht zutreffend erweisen. Als Medien wie „Spiegel“ und „Zeit“ aber die Verlesung der Anträge vor dem Bundesverfassungsgericht mit dem Urteil verwechselten und „NPD verboten“ meldeten, schimpften viele „Fake News!“, sogar die FAZ.
Allianzen und erste Ansätze gegen Fake News
Erste Ansätze, vor allem den manipulierenden „Fake News“ den Schrecken zu nehmen, setzten auf Aufklärung und die Verantwortung des Einzelnen. Die jüngst gegründete News Integrity Initiative zielt darauf ab, Menschen dabei zu helfen, die Nachrichten, die sie lesen und/ oder teilen, besser einschätzen zu können. Facebook und der Firefox-Entwickler Mozilla sind unter den Geldgebern. Angesiedelt ist die Initiative bei der City University of New York, deutsche Teilnehmer sind das Hans-Bredow-Institut und die Hamburg Media School. Bleibt abzuwarten, welche konkreten Maßnahmen daraus entstehen.
Facebook ist den ersten Schritt bereits allein gegangen und setzt mit einer Schulung zur Erkennung von „Fake News“ ebenfalls auf Aufklärung. Mittels eines Informations-Kästchens an erster Stelle im Newsfeed wird ein Teaser an alle Nutzer in den 14 teilnehmenden Ländern ausgespielt– auch in Deutschland. „Lies Überschriften kritisch“, heißt es darin etwa, oder „Sieh dir die URL genau an“. Jeder Tipp wird im Hilfe-Bereich von Facebook noch einmal genauer erklärt. Zudem schaltete Facebook aktuell in mehreren deutschen Zeitungen und Zeitschriften Anzeigen. „Tipps zum Erkennen von Falschmeldungen“ heißt die ganzseitige Anzeige, die unter anderem in der „Süddeutschen Zeitung“, der „Bild“-Zeitung, dem „Handelsblatt“ oder in der „Zeit“ erschien.
Google setzt zudem verstärkt auf Hintergrundberichte, in denen Medien oder Verlage die Faktenlage bei strittigen Themen überprüfen. Das Faktencheck-Label soll weltweit bei Google News eingesetzt und auch auf die Google-Suche ausgeweitet werden.
Fazit
In der Debatte um „Fake News“ bleiben viele Grauzonen. Die Herausforderung ist es sicherlich vor allem, die freie Meinungsäußerung zu erhalten und der Gesellschaft dabei dennoch eine Orientierung zu bieten, welche Informationsquellen vertrauenswürdig sind und welche eben nur eine bestimmte Meinung oder Strömung darstellen. Allianzen wie die „News Integrity Initiative“ sind ein erster Ansatz, das Verschmelzen von Wahrheit und Propaganda, Manipulation und objektiver Berichterstattung für den Leser oder Zuschauer aufzudecken. Wachsamkeit, kritisches Hinterfragen von Informationen und die Fähigkeit die Seriosität von Quellen einordnen zu können, sind Skills die schnell erlernt werden müssen. Medien mit eigenen Redaktionen und journalistischen Prinzipien verpflichtet, werden wieder wichtiger denn je. Redakteure werden zu Faktencheckern, nicht nur in eigener Sache. Journalisten tun daher gut daran, Geschichten umso sorgfältiger zu überprüfen; und falls sie bereits erschienen sind, entsprechend zu korrigieren. Damit schützen sie ihr größtes Kapital, die Glaubwürdigkeit.